Interview mit Dipl. Psych. Hans Gunia

Sehr geehrter Herr Gunia,

Sie unterstützen das Borderline-Netzwerk schon von Anfang an im Expertenrat. Was hat Sie dazu veranlasst damals Ihre Unterstützung zuzusagen? Was war/ist Ihre Motivation dahinter?

Herr Gunia: Ich habe schon immer gerne mit Betroffenen zusammen gearbeitet. Insbesondere hat mich die Arbeit gerade Ihres Netzwerkes schon immer sehr angesprochen. So dass es für mich eine Ehre ist, bei Ihnen mitarbeiten zu dürfen.

Eines unser Leitmottos des Vereins ist: "Du kannst es nicht alleine schaffen, doch nur du alleine kannst es schaffen." Wie wichtig sehen Sie die Unterstützung von Betroffenen untereinander?

Herr Gunia: Ausgesprochen positiv. Es gibt viele gute Bespiele. Das Borderlinenetzwerk ist eines davon.

Was halten Sie generell von Selbsthilfe im Bereich von Borderline-Betroffenen? Wo sehen Sie die Risiken und Nebenwirkungen? Wo die Vorteile?

Herr Gunia: Generell messe ich dem Bereich der Selbsthilfe einen großen Stellenwert zu. Im Bereich der Borderline-Betroffenen gibt es sehr schöne Beispiele, wo Betroffene gute Konzepte für gegenseitige Unterstützung entwickelt haben. Auch hier sei das Borderline-Netzwerk aber auch das Selbsthilfebuch, das Christiane Tilly zusammen mit Andreas Knuf geschrieben hat, genannt. Betroffene kennen ihre Nöte am besten, können möglicherweise von anderen Betroffenen Hilfe besser annehmen.
Risiken sehe ich darin, dass sich Betroffene zu sehr durch ihre Symptome definieren und zu wenig durch ihre Ressourcen, dass quasi eine Borderline-Identität entsteht.

Wie wichtig sehen sie den trialogischen Austausch zwischen Betroffenen, Experten und Angehörigen?

Herr Gunia: Auch hier gibt es schöne Modelle, etwa das von Anja Link und Christiane Tilly. Solche Austauschmöglichkeiten müssen wir unterstützen und ausbauen.

Eignet sich in Ihren Augen die DBT besonders als Ansatz in der Selbsthilfe? Falls ja, warum? Falls nein, warum nicht?

Herr Gunia: Auf alle Fälle. Die hierarchisch aufgebaute Zielstruktur und der teamorientierte Ansatz in der DBT ist gerade auch in der Selbsthilfe sehr geeignet, da er klare Strukturen vorgibt, konkrete Hilfestellungen bereit stellt und regelt, wie man im Team miteinander umgeht (achtsam, dialektisch und an der Zielehierarchie orientiert).

Zum Schluss: Gibt es noch etwas, was Sie dem BN mit auf den Weg geben möchten für die Zukunft?

Herr Gunia: Ja, ich würde mir wünschen, dass es das BN noch lange gibt, noch viele kreative Ideen entwickelt, den Austausch mit dem Dachverband DBT weiter ausbaut und mithilft, dass sich Betroffene nicht nur über Borderline definieren.

Vielen Dank
Weltumseglerin

Dipl. Psych. Hans Gunia

Hans Gunia

Herr Gunia (*1956) ist Diplom-Psychologe, Verhaltenstherapeut, DBT-Therapeut und ausgebildet im integrierten psychologischen Trainingsprogramm. Außerdem ist er als Dozent und Supervisor für Verhaltens- und DBT-Therapie tätig.
1997 hat er zusammen mit Kollegen das Borderline-Projekt in Darmstadt gegründet. Seit 2003 ist er Vorstand im Dachverband der DBT e.V., außerdem ist er im Vorstand des Deutschen Fachverbandes für Verhaltens- therapie (dvt) tätig.
www.hansgunia.de

Herr Gunia beantwortet im Rahmen des Expertenrates Fragen zur DBT und Borderline-PS und er ist unser Ansprechpartner im Dachverband der DBT e.V., bei dem er uns mit Rat und Tat zur Seite steht.